Robert K. Merton Zentrum für Wissenschaftsforschung
Am Robert K. Merton Zentrum wird erforscht, wie Wissenschaft funktioniert. Wie wird wissenschaftliches Wissen produziert und wie ist Wissenschaft in gesellschaftliche Prozesse eingebettet? Das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft ist auf der einen Seite geprägt von (naiven) Erwartungen an die Wissenschaft, denen diese oft nicht genügen kann. Wissenschaft soll sowohl autonom als auch nützlich sein, sie soll zuverlässig Forschungsqualität gewährleisten, gesichertes Wissen ebenso identifizieren, wie kritisch hinterfragen und zugleich offen, integrativ und partizipativ schnelle Lösungen für gesellschaftliche Probleme bereitstellen. Auf der anderen Seite soll sich Gesellschaft für Wissenschaft interessieren, ihre Relevanzsetzungen einbringen, mitunter mitmachen, ihr gleichwohl zuhören, vertrauen, sie eigenständig machen lassen und dennoch auch kritisch sein. In gegenwärtigen Wissensgesellschaften sind diese wechselseitigen Erwartungen hoch, mitunter widersprüchlich und oft gar zu hoch.
Die Wissenschaftsforschung widmet sich dieser Problemlage aus unterschiedlichen theoretischen und methodischen Perspektiven. Sie befasst sich mit Praktiken, Prozessen, Diskursen und Akteuren, die für die Verfasstheit und die Governance von Wissenschaft sowie für Forschung und Lehre relevant sind. Beispielsweise werden strukturelle Veränderungen im Wissenschaftssystem und Prozesse externer wissenschaftspolitischer Steuerung daraufhin untersucht, welche Auswirkungen sie u.a. auf die Wissensproduktion, die wissenschaftliche Kooperation und auf den Wissenstransfer in die Gesellschaft haben. Dafür integrieren wir in der Analyse verschiedene Methoden von Bibliometrie, über Surveys bis hin zu qualitativen, textanalytischen und ethnografischen Methoden mit Ansätzen der Wissenschaftssoziologie, der Informationswissenschaft, der Science and Technology Studies (STS) sowie einem weit gefassten Spektrum der Sozial- und Gesellschaftstheorie.
Eine interdisziplinäre Perspektive ist dabei kein Selbstzweck, sondern reagiert auf die vielschichtige Einbettung von Wissenschaft in gesellschaftliche Erwartungen. Ziel einer multiperspektivischen Wissenschaftsforschung ist es, Wissenschaft nicht nur zu beforschen, sondern auch die Beforschten partizipativ in den Erkenntnisprozess einzubeziehen. Zu diesem Zweck dient das RMZ auch als transdisziplinäre Plattform, die solch eine partizipative Wissenschaftsforschung bei der Gestaltung von Forschung, Lehre und Wissenstransfer einbringt.
Eine solche Wissenschaftsforschung zielt nicht nur auf Erkenntnisse über das Funktionieren von Wissenschaft, sondern auch darauf ab, das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft mitzugestalten und kritisch zu begleiten. Dafür stellt sie kritisch reflexive Kapazitäten bereit und trägt ihre Ergebnisse in die Öffentlichkeit, um sie in gesellschaftlichen und wissenschaftspolitischen Debatten zur Geltung zu bringen. Die Stärkung kritischer Kapazitäten in Wissenschaft und Gesellschaft kann dabei auch heißen, Widersprüche aufzudecken, zu einfache Antworten abzulehnen oder Irritationen zu erzeugen, um Transformationen anzustoßen.